Bäume schützen sich durch Laubwurf vor dem Vertrocknen, Foto: Mischa Hauswirth

ZeitschriftenLesezeit 2 min.

Besuch im vielleicht trockensten Wald Mitteleuropas

Seit mehreren Wochen hat es in vielen Regionen der Schweiz kaum geregnet. Laubbäume werfen wegen Wassermangel und Temperaturen von bis zu 40 Grad ihr Laub schon im Sommer ab. Und die Förster in den Bergkantonen kämpfen bereits mit erhöhtem Borkenkäferbefall.

Von Mischa Hauswirth und Anita Merkt* | Bei jedem Schritt knistert das Laub unter den Schuhen. Es klingt fast gläsern, so trocken sind die Blätter. Im Unterholz nur verdorrte Gräser, Kräuter und leblose Kanadische Goldrute. In einer ausgetrockneten Lache sind wie Versteinerungen die Abdrücke von Wildschweinen zu sehen. 

Der Wald hier, der Forêt de la Hardt, rund 30 Kilometer von Basel entfernt, lechzt nach Wasser und ist seit Wochen dabei, die Notbremse zu ziehen. Das Waldstück ist ein besonders erschreckendes Beispiel der diesjährigen Trockenheit: Schon im Juli begannen sich Eichen, Hainbuchen oder Winterlinden zu verfärben wie im Herbst. «Bäume schliessen bei Trockenheit die Poren in den Blättern und Nadeln, durch die sie CO2 für die Fotosynthese aufnehmen, aber auch Wasser verlieren», schreibt die Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL).

Guillaume Houth ist von der Unité 
territoriale de la Harth und verantwortlich für das 16 800 Hektar grosse Waldgebiet zwischen Colmar und Basel. Zusammen mit zehn Forsttechnikern betreut Houth den Hardt-Wald, der zum einen Teil den Gemeinden und zum anderen Teil dem Staat gehört. «Wir beobachten nicht erst in diesem Jahr, welche problematischen Auswirkungen die Trockenheit hat», sagt Houth. Bereits 2015, 2016 und dann vor allem 2019 sei es besonders schlimm gewesen. «Auch im Moment ist ein grosses Absterben von Bäumen 
zu beobachten.»

In den vergangenen Jahren waren vor allem die Waldföhren eingegangen ― als Folge des Trockenheitsstresses litten die Föhren unter Pilzbefall. Diese Baumart ist dadurch im Forêt de la Hardt stark dezimiert worden, stellenweise sogar ganz verschwunden. Jene Exemplare, die noch stehen, befinden sich meist in einem beunruhigenden Zustand. «In diesem Sommer zeigen auch andere Baumarten deutliche Anzeichen von Trockenheitsstress», sagt Houth. 

Wird dieser Wald absterben?

Darüber, was diese Serie von Jahren mit übermässiger Trockenheit für den Forêt de la Hardt langfristig bedeutet, kann Houth nur mutmassen. «Der Wald wird in irgendeiner Form weiterbestehen», ist er überzeugt, «nur in welcher, ist schwierig vorherzusagen.» Wie an vielen anderen Orten auch in Mitteleuropa experimentiert Houth ebenfalls mit trockenheitsresistenteren Baumarten wie etwa der Flaumeiche. Diversifikation statt Fokus auf eine Baumart, heisst auch hier die Devise.

Hitze und Trockenheit hätten die Waldbrandgefahr in vielen Gebieten der Schweiz ansteigen lassen, heisst es beim Bundesamt für Umwelt (Bafu). Mehrere Kantone haben im Sommer aufgrund des Regenmangels Feuerverbote erlassen. In Frankreich sind etliche Departements von der Trockenheit betroffen. Förster Houth macht sich deshalb mindestens so viele Sorgen, dass der Wald zu brennen anfangen könnte. Mitte August kam es in der Nähe von Rixheim zu einem kleinen Waldbrand, den die Feuerwehr aber rasch unter Kontrolle hatte. Zusammen mit der Feuerwehr mache man sich Überlegungen, wie bei einem allfälligen Feuerausbruch im Wald interveniert werden könnte, 
sagt Houth.

Wer übernimmt die Kosten?

Auswirkungen des Verdunstungsstopps durch Laubabwurf sind auch im Hardwald bei Basel zu beobachten, dem Schweizer Gegenstück zum Forêt de la Hardt. Im Hardwald bei Birsfelden führte der trockene Sommer 2018 dazu, dass die Behörden den gesamten Wald für die Öffentlichkeit sperrten. Der zuständige Basler Revierförster Christian Kleiber und sein Team mussten in der Folge etliche abgestorbene oder 
stark von der Trockenheit geschädigte Bäume fällen.

In diesem Sommer beobachtet Kleiber, «dass die Laubbäume jetzt schon früher ihre Blätter abwerfen als 2018». Wie Houth im Elsass stellt Kleiber fest: Durch die vorangegangenen trockenen Jahre haben die Bäume an Widerstandsfähigkeit eingebüsst. 
Die Trockenperioden müssten gar nicht mehr so lang sein und «schon ziehen die Bäume die Notbremse», so Kleiber. «Sie haben wohl viele Jahre von ihren Reserven gezehrt und haben keine Erholungsmöglichkeiten mehr durch normale Jahre.

Die Trockenheit hat auch eine ökonomische Seite: Alleine der Hardwald bei Basel war so stark von Wassermangel betroffen, dass 10 000 Kubikmeter Holz gefällt werden mussten. Vor allem Buchen, die 2019 nicht mehr austrieben, holten die Forstleute aus dem Wald. «Wer das alles bezahlen wird, ist nicht klar», sagt Kleiber. Bis jetzt ist die Bürgergemeinde Basel als Waldbesitzerin eingesprungen, doch ist das ein Zukunftsmodell, dass die Waldeigentümerinnen und Waldeigentümer die Kosten von klimabedingten Waldschäden selber stemmen müssen? «Auch das Wiederin-
standstellen der Flächen mit wärmeliebenderen Bäumen kostet eine Menge Geld», sagt Kleiber. Seit 2018 werden Flaumeiche, Speierling, Edelkastanie und Blumeneschen sowie Schneeballblättrigen Ahorn gepflanzt. 
Weitere Baumarten sind Elsbeere, Hopfenbuche, Mehlbeere.

WSL-Untersuchungen haben gezeigt, dass die Verdunstung im Wald die niedrigen Wasserstände in Gewässern oder im Grundwasser nicht verschlimmert, also die Bäume nicht automatisch die Böden leersaugen, wenn es eine lange Trockenperiode gibt. Viel mehr reagieren die Pflanzen mit der Regulierung ihrer Transpiration. «Die Bäume fuhren ihre Verdunstung drastisch zurück», schreibt die WSL. 2015 kam es zu einer Verdunstungsreduktion von 23 Prozent, 2018 sogar von 28 Prozent. 

Borkenkäfersituation spitzt sich zu

Die Trockenheit ist nicht nur im Mittelland und der Nordwestschweiz oder um Genf ein Problem. Sie macht sich auch in den Alpen bemerkbar. «Wir haben erhebliche Probleme mit dem Borkenkäfer bei Fichten», sagt Jean-Marie Putallaz von der Dienststelle für Wald, Natur und Landschaft des Kantons Wallis. «Das war schon latent ein Problem, es hat sich mit der aktuellen Hitze aber verschärft.» Der jetzige intensive Borkenkäferbefall sei wohl auch eine Spätfolge des Hitzesommers 2018, der die Fichten bereits geschwächt habe.

Beim diesem Stress durch Wassermangel und der gleichzeitigen Hitze sei es nicht erstaunlich, mit welcher Vehemenz die Borkenkäfer sich über die Fichten hermachen, sagt Putallaz vom Forstkreis Unterwallis. Es müsse einiges an Käferholz gefällt werden. Die Befürchtung sei gross, dass sich wegen der aufeinander gefolgten heissen Sommer der vergangenen Jahre die Fichten in tieferen Lagen nicht mehr lange werden halten können. «Es ist frappierend, mit welcher Schnelligkeit das Fichtensterben voranschreitet», sagt Putallaz. Auch Lärchen und Weisstannen in den Tälern hätten «erhebliche Probleme», seien geschwächt oder würden absterben.

Die Fichten leiden auch im Kanton Graubünden. Seit Mitte Juli beobachten der stellvertretende Kantonsförster Lukas Kobler und seine Kollegen, dass Fichten vermehrt vom Borkenkäfer befallen werden. Dabei hat Kobler den Eindruck, dass der Borkenkäfer auch in höhere Lagen vordringt. «Früher trat der Käfer oberhalb von rund 1700 bis 1800 Metern kaum in Erscheinung. Diese Grenze gibt es heute nicht mehr», stellt Kobler fest. Der Befall und die Schädigung der Bäume schritten zudem schneller voran. «Heute sieht man noch nichts und morgen ist der Baum schon rot.» Den Borkenkäferbefall frühzeitig zu erkennen, um befallene Bäume rechtzeitig entfernen zu können, werde immer wichtiger, so Kobler. Sorgen macht er sich vor allem um den Schutzwald. 

Auch bei der WSL beobachtet man die Borkenkäfersituation genau. «Der Frühling war dieses Jahr in weiten Teilen der Schweiz überdurchschnittlich warm und niederschlagsarm. Das führte zu  günstigen Entwicklungs- und Flugbedingungen für die Borkenkäfer», sagt Simon Blaser von der WSL-Gruppe Waldschutz Schweiz. Mit ansteigendem Trockenstress reduziere sich das Verteidigungspotenzial von Fichten gegenüber Borkenkäfern, wie beispielsweise dem Buchdrucker. «Dies führt dazu, dass Abwehrreaktionen wie das Ausharzen von einbohrenden Borkenkäfern vermindert werden», so Blaser.

Die überwinternden Jungkäfer des Buchdruckers (Ips typographus) konnten dieses Jahr gemäss Modellberechnungen regional teilweise schon ab Anfang April ausschwärmen und somit auch Fichten befallen. In der Folge waren sowohl der Mai, als auch der Juni und Juli erneut gezeichnet von überdurchschnittlich warmen Temperaturen und regional wenig Niederschlag. «Diese Wetterbedingungen dürften zu einer raschen Entwicklung der neu angelegten Käfergeneration geführt haben», sagt Blaser.

Die Zukunftsprognosen sind wenig erbaulich: Gemäss Modellprognosen der WSL könnte es in den tiefergelegenen Regionen der Schweiz nach der Erzeugung einer zweiten Generation gar zu der Anlage einer dritten Käfergeneration kommen. 

Mehr Infos unter:

www.borkenkaefer.ch

 

  • Anita Merkt ist feste freie Mitarbeiterin von „Wald und Holz“ und „La Forêt“
     

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